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Westtibetische Handschriften

Auf dem Boden des westtibetischen Reiches wurden ab dem späten 10. Jh. zahlreiche buddhistische Klöster gegründet. Viele davon sind mit dem berühmten Klostergründer und Übersetzer indischer buddhistischer Texte Rinchen Sangpo (Rin chen bzang po) (958-1055) in Verbindung zu bringen. Größere Sammlungen alter Handschriften (bis zum 14. Jh.) kennen wir bisher in den Klöstern Tabo (Spiti), Charang (Kinnaur) und Phugthal (Zanskar/Ladakh), sowie in Privatbesitz in Gondhla (Lahaul). Einzeltexte oder Fragmente sind in verschiedenen Klöstern oder Privathäusern erhalten.

Bedeutung, Entwicklung und Tradition

In der Folge entwickelte sich eine eigenständige westtibetische Tradition von Manuskripten (MSS) der größten Teils aus dem Sanskrit übersetzten autoritativen buddhistischen Texte. Diese Tradition wurde bis in die zweite Hälfte des 14. Jh. unabhängig vom Hauptstrom der tibetischen Überlieferung weiter fortgeführt, sie spiegelt sich aber auch in jüngeren Manuskripten. Als zu Beginn des 14. Jh. in Zentraltibet der buddhistische Kanon kompiliert wurde, blieben die westtibetischen MSS und die in ihnen tradierten Textversionen bei der redaktionellen Bearbeitung unberücksichtigt. Das bedeutet, daß hier eine Texttradition erhalten ist, die in ihren ältesten, vorkanonischen Schichten z.T. Textversionen enthält, die beträchtlich älter sind als alle bisher bekannten. Es finden sich hier auch Texte, die überhaupt keine Aufnahme in die kanonische Sammlung gefunden haben. Diese MSS sind für die verschiedensten Aspekten der Wissenschaft von Bedeutung: Paläographie, Orthographie, Terminologie, Linguistik, Materialkunde etc.; in Kolophonen, Widmungen etc. enthalten sie auch eine Fülle von historischen und kultur- und gesellschaftsgeschichtlichen Informationen. Ihre größte Bedeutung liegt aber auf dem Gebiet der Textkritik und der Erforschung der Tradition des tibetischen buddhistischen Kanons sowie der vor- und außerkanonischen Handschriftentradition.

Herstellung und Ausstattung

Die Manuskripte sind auf Papier geschrieben, das nach der sog. "Eingießmethode" meist aus Hanffasern hergestellt wurde. Sie sind im traditionellen pothi Format, d.h. in länglichen losen Blättern, das den indischen Palmblatt MSS nachempfunden ist. Von diesen sind auch die Bindelöcher übernommen, die für ältere MSS charakteristisch sind, jedoch schon bald ihre eigentliche Funktion verloren; aufbewahrt wurden die MSS zwischen Holzdeckeln. Geschrieben wurde mit Federn, die aus Holz oder Bambus geschnitzt wurden. Die Tusche wurde aus Ruß, vermengt mit Leim als Bindemittel, hergestellt. Die Produktion von Handschriften in Gold-, Silber- und Kupfertinte auf mit Indigo gefärbtem Papier ist in Westtibet selten; die meisten dieser MSS sind wohl aus Zentraltibet eingeführt. Wertvolle Handschriften wurden mit Miniaturen ausgestattet, meist am Ende eines Kapitels oder auf der ersten Seite. Z.T. wurde auch nur das erste Blatt als Schmuckblatt in Gold- oder Silberschrift und mit Miniaturen gestaltet.

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